P R E S S E 
 
Ein lebenslanges Anliegen
Sonntagsgespräch in der Gedenkstätte Ahrensbök über Nazi-Euthanasie


Der Begriff klang harmlos: „Aktion T 4“ – benannt nach der Straße, Berlins Tiergarten Nummer 4, in der sich die Zentrale befand, wo das Verbrechen geplant und organisiert wurde. Mit dem ebenfalls „schönfärberischen“ (Ernst Klee) Begriff „Euthanasie“ wird der Massenmord bezeichnet, der von den Nationalsozialisten von 1939 bis 1945 europaweit an Patienten damaliger Heil- und Pflegeanstalten begangen wurde. Ihm fielen Hunderttausende zum Opfer, die angeblich oder tatsächlich psychisch erkrankt, anderweitig behindert waren oder für sozial auffällig erklärt wurden.

"Sperlingskinder. Opfer der Nazi-Euthanasie“, heißt die Autobiographie, aus der die Hamburger Zeitzeugin in Antje Kosemund am Sonntag, den 29. Oktober 2023, um 15.00 Uhr in der Gedenkstätte Ahrensbök lesen wird. Der Referentin, 94 Jahre alt, war es ein Leben lang ein Anliegen, an die Opfer der nationalsozialistischen Euthanasie zu erinnern und ihrer zu gedenken, ohne die Opfer zu diskriminieren; Antje Kosemund spricht vor dem Hintergrund ihrer eigenen Familiengeschichte.

Ihre Eltern, das Ehepaar Sperling, hatte zwölf Kinder, unter ihnen Antje, geboren 1928. Die jüngere Schwester Irma wurde bereits als Kleinkind im Alter von drei Jahren aufgrund eines psychiatrischen Gutachtens in die Alsterdorfer Anstalten eingewiesen. Diese Einrichtung, heute: Evangelische Stiftung Alsterdorf, war zwischen 1930 und 1945 nach eigener Darstellung eine „rassenhygienische Forschungsstelle der NSDAP“, wo Patienten zwangsweise Röntgenbestrahlungen des Gehirns und Schockbehandlungen unterzogen wurden. Mit 13 Jahren wurde Irma von Hamburg nach Wien in die psychiatrische Anstalt „Am Steinhof“ deportiert und dort 1944 im Rahmen des Euthanasie-Programms ermordet.

Irmas Gehirnscheibe lagerte Jahrzehnte lang in einer Wiener Asservatenkammer. Seit Antje Kosemund davon erfahren hatte, kämpfte sie für eine würdevolle Bestattung der sterblichen Überreste ihrer Schwester und neun weiterer aus Hamburg stammender Euthanasieopfer, deren Gehirnteile ebenfalls in der „Gehirnkammer“ gelagert waren. Sie erreichte schließlich eine den Opfern angemessene Bestattung, die am 8. Mai 1996 in Hamburg auf dem Geschwister-Scholl-Ehrenfeld des Ohlsdorfer Friedhofs stattfand.

Interessierte sind zu Lesung und Gespräch in die Gedenkstätte Ahrensbök eingeladen. Der Eintritt ist frei. Spenden sind willkommen.
 
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